Was hat ein Küchengartenpavillon auf
einem Friedhof zu suchen?
Eigentlich nichts. Der Pavillon stand
ursprünglich auch woanders (ca. 2 km entfernt) – und zwar da, wie
es der Name vermuten lässt: nämlich in einem Küchengarten. Der
Garten wurde ab 1652 für die hannoverchen Welfen (einst Herzöge,
dann Kurfürsten und Könige Hannovers) zwischen heutiger Fössestraße
und Davenstedter Straße im Dorf Linden vor den Toren Hannovers
angelegt und in den 1740er Jahren aufwändig umgestaltet. Der
Pavillon ersetzte dann 1749 als eine Art steinerne Gartenlaube die
hölzernen Pavillons und Lauben aus der Anfangszeit des Gartens. Nach
dem Untergang der Welfen 1866 wurde der Küchengarten aufgelöst, das
Gebäude stand dort im Wege, wurde aber von einer Lindener Initiative
gerettet, 1911 an der heutigen Fössestraße abgebaut und ab 1913 auf
dem Lindener Berg wieder aufgebaut.
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Das denkmalgeschützte, heute städtische
Gebäude, ist heute eines der wichtigsten Barockgebäude Hannovers.
Seit 2002 nutzt es der gemeinnützige Verein Quartier für kulturelle
Zwecke.
So weit, so kurz. Es folgt nun eine etwas längere
Geschichte des Küchengartenpavillons.
Die Langfassung kann man
in zwei Broschüren unseres Vereins Quartier (siehe auch
www.quartier-ev.de) nachlesen:
Der Küchengartenpavillon in
Linden von Jonny Peter und Wilfried Dahlke (Quartier-Reihe „Lindener
Geschichtsblätter, Heft 1, Hrsg. Quartier e.V., Hannover-Linden
2003)
Der Königliche Küchengarten in Linden von Wilfried
Dahlke und Jonny Peter (Quartier-Reihe „Lindener Geschichtsblätter,
Heft 2, Hrsg. Quartier e.V., Hannover-Linden 2004)
Copyright
sämtlicher Texte bei Quartier e.V. Hannover-Linden
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1. Der Küchengarten (Wilfried Dahlke und
Jonny Peter)
Die Anlage des
Gartens
Kommt
man zum Küchengartenplatz in Hannover-Linden und schaut sich in der
Nähe etwas um, liest man Namensschilder, die dem Betrachter etwas
sonderbar vorkommen mögen: „Küchengartenstraße“,
„Gartenallee“, „Teichstraße“ und „Dieckbornstraße“.
Weder ist ein Küchengarten noch eine Gartenallee zu finden, auch
kein Teich oder eine Deichquelle (Dieckborn). Diese Straßennamen
haben lediglich einen geschichtlichen Hintergrund und erinnern an
einen großen Garten, den es hier tatsächlich über zweihundert
Jahre lang gegeben hat.
Ein
Küchengarten war hier vor über 350 Jahren angelegt worden. Er
bildete den Anfang einer ganzen Reihe von größeren Gärten in
Linden (von-Platen/von-Alten-Garten, Egestorff/Laporte-Garten).
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Am
10. Januar 1645 kaufte der im Dreißigjährigen Krieg nach Hannover
gezogene Welfe Herzog Christian Ludwig von Braunschweig Lüneburg für
1500 Taler die sogenannte „Quirrenburg“, einen Halbmeierhof, der
einst den von Altens gehört hatte, dann aber an den Amtmann Erich
Behling gekommen war.(1) Das Gebiet lag zwischen der heutigen Fössestraße
und Davenstedter Straße, der Dieckbornstraße und dem
Küchengartenplatz und umfasste 30 Morgen Land. Hier legte der in
Hannover residierende Herzog Christian Ludwig 1652 den mit einer
hohen Mauer eingegrenzten „Küchengarten“ in Form eines großen
Rechtecks an.
„Der
Küchengarten versorgte ehedem die Hofhaltung mit Obst und Gemüse.
Und wenn man hört, daß er etwa dreißig Morgen umfaßte, kann man
sich eine Vorstellung von dem damaligen Verbrauch machen. Daran waren
insbesondere die unumgänglichen Festessen schuld.“(2)
Bewirtschaftet wurde der Garten von einem Gartenmeister und einem
Meistergesellen.(3)
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Der
Gartenstandort in Linden war vor allem durch den Dieckborn geeignet
als Nutzgarten, konnten doch hier auch Fischteiche mit Frischwasser
versorgt werden. Bereits 1423 hatte die Stadt Hannover vom
Landesherren die Erlaubnis erhalten, die Quelle „Dieckborn“
instand zu setzen und von hier das Wasser (in Holzröhren über die
Ihme(4) ) in die Stadt zu leiten – bis 1487.(5) Von 1668 bis 1706
speisten doppelte Röhren aus dem Teich im Küchengarten den
Parnassbrunnen auf dem Neustädter Marktplatz.(6) Von ca. 1677 bis
1687 wurde durch hölzerne Röhre Wasser aus dem Küchengarten in die
Hochbehälter in Herrenhausen geleitet.(7) Vor allem speiste der
Dieckborn aber natürlich den Küchengarten selber mit Wasser.
Wilhelm Winkel: „In der Südwestecke des Gartens sprudelte eine
Quelle aus der Erde, die der „Dieckborn“ genannt wurde. Sie
speiste mit ihrem klaren Wasser zahlreiche Teiche, von denen die
meisten durch einen munter rauschenden Bach, die „Gartenriede“,
miteinander verbunden waren.
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Einer
dieser Teiche wurde der „Herrenhäuser“ genannt. Das Wasser, das
sich in ihm sammelte, floß durch eine Röhrenleitung nach
Herrenhausen und versorgte dort die Fontänen. Ein anderer Teich hieß
Ratsteich. Sein Wasser wurde nach Hannover geleitet und dort zum
Bierbrauen benutzt. Auch Duves Brunnen auf dem Neustädter Markt
wurde durch Wasser aus dem Lindener Küchengarten gespeist.“(8)
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Wilhelm
Winkel beschrieb den Küchengarten weiter so: „Er hatte zwei
Zugänge. Einer führte von der Blumenauerstraße in den Garten und
war von einer Allee, der „Gartenallee“, überschattet. Wo sie in
den Garten mündete, stand das Portal, das sich jetzt am Eingang des
Lindener Bergfriedhofes erhebt. Der andere Zuweg kam von der
Davenstedter Straße. Hier standen auch eine Reihe von Gebäuden: Die
Jagdscheune, in der die Jagdgeräte aufbewahrt wurden, die auf der
Jagd benutzt wurden, der „Jägerhof“, ein Haus, in dem der Jäger
des Herzogs seine Wohnung hatte. Im Jagdstall neben dem Jägerhof war
die „Meute“ untergebracht; das waren die Windhunde mit denen man
auf die Jagd ging. Ein „Windhetzer“, der sie pflegen und
beaufsichtigen mußte, hatte hier ebenfalls eine Wohnung.“(9)
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Der Umbau
Jahrzehntelang
diente der Garten als Nutzgarten. Er wurde ab Mitte des 18.
Jahrhunderts auch als Zier- und Blumengarten bewirtschaftet.
Bernhard
Engelke datierte die Umgestaltung und Erweiterung des Küchengartens
auf das Jahr 1744.(10) Von einer erheblichen Erweiterung 1744 des
zunächst 30 Morgen großen Küchengartens schrieb auch
Mundhenke.(11)
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„Als
ein Teil des Gartens zu einem Ziergarten umgewandelt wurde, wurde der
Weg zum Haupteingang gemacht, der vom Jägerhof kam. Man faßte die
Wege, die sich besonders zum Spazierengehen eigneten, durch hohes
Lattenwerk ein, an das Hainbuchen gepflanzt wurden. So entstanden
schattige Bogengänge, unter denen man auch an heißen Sommertagen
spazierengehen konnte. Treibhäuser wurden gebaut, köstliches Obst
angepflanzt, Gemüse in glasüberdeckten Beeten gezogen.(12)
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Auf
dem Plan aus dem Jahre 1760 sind im Bereich des Küchengartens
insgesamt sechs Fischteiche zu erkennen, die in den Jahren 1740 bis
1753 angelegt wurden. Und man erkennt am Ende des mittleren Weges am
Rand des Gartens – umgeben von dem Baumgarten (hinter einem
schmalen Teich) – ein kleines Gebäude: den Küchengartenpavillon
(im Bild mittig ganz rechts). Davor (südlicher) sind rechts und
links der Achse zwei große rechteckige Teiche erkennbar, jeweils
1740 angelegt. Drei weitere aber wesentlich kleinere Teiche sind im
südöstlichen Bereich des eigentlichen Küchengartens erkennbar (im
Plan mittig unten). Außerhalb des Küchengartens ist auf „Schnabels
Hoff und Garten“ oben links der Dieckborn erkennbar (a). Westlich
davon sieht man drei weitere Fischteiche, die unmittelbar mit
Quellwasser gespeist wurden (oben links). Am Südende des
Herrschaftlichen Gartens sind „Melonieren“ (Melonengewächshäuser)
erkennbar, dazwischen auch die Wohnung des Gärtners.(13)
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Die
Herrlichkeit des Küchengartens währte bis Mitte des 19.
Jahrhunderts. Nach 1835 hielt die Industrialisierung Einzug in Linden
und das Umfeld des Gartens wurde bebaut: erst große Fabriken an der
Ihme und ab 1850 auch die ersten Arbeiterwohnhäuser in Linden-Nord
und Linden-Mitte.
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Auch den Küchengarten ereilte das
Schicksal.
Aus
den hannoverschen Herzögen waren Kurfürsten (und sogar Könige von
England) sowie ab 1815 dann die Könige des neuen Königreichs
Hannover geworden. Damit wurde aus dem Herrschaftlichen auch ein
Königlicher Küchengarten.
Als
das Königreich Hannover dann 1866 aufhörte zu existieren und
unfreiwillig Teil von Preußen wurde, gab man den Küchengarten als
Garten völlig auf. An der Fössestraße errichtete man 1872/73 den
Güterbahnhof „Küchengarten“ und bebaute den Rest des Gartens
dann nach und nach mit Häusern, dem heutigen
Lichtenbergplatzviertel.
Mit
die Bebauung verschwand nicht nur der Küchengarten, auch die
Wasserquellen waren vorher schon verschwunden.
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„Die
Nothbrunnen und Pfosten in der (Calenberger, Anm. d. Red.) Neustadt
erhalten ihr Wasser aus dem artesischen Brunnen im sog. Quellgarten
in Linden. Durch die Anlage dieses artesischen Brunnens, welcher
durch den Mechaniker Klindworth in den Jahren 1836-39 gebohrt wurde,
ist der frühere Wassermangel auf der Neustadt gehoben. Bis dahin
erhielten die Röhren der Neustädter Wasserleitung ihr Wasser aus
dem Bassin des obenerwähnten Quellgartens, mit eigener Quelle, und
den beiden Bassins des Königl. Küchengartens und diese wieder
mittels Gräben vom Haasemannschen Hofe in Linden aus einer starken
Quelle (dem Dieckborn, Anm. d. Red.), die der Stadt gehört, seit dem
Bohren des artesischen Brunnens aber gänzlich ausgetrocknet
ist.“(14)
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Der
umfangreiche Bodenaushub der Ausschachtungsarbeiten für den
Güterbahnhof wurde in der Glocksee zur Auffüllung des
niedriggelegenen und den Hochwasserfluten ständig ausgesetzten
Geländes verwendet.(15)
An
den Küchengarten erinnern vor Ort so nur noch die oben genannten
Straßennamen. Übrig geblieben sind von ihm allerdings noch zwei
Bauten, die heute aber auf dem Lindener Bergfriedhof stehen.
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